oder: zur Prolegomena einer Philosophie des politisch Undenkbaren.
Keine Sorge – wir setzen keine Kantsche oder Hegelsche (oder gar Marx’sche) Begrifflichkeit voraus – im 21. Jahrhundert, im Zeitalter von TikTok. Künstlich geschürte Ängste oder Besorgnisse sind nicht unser Thema, sondern politische – global, national oder lokal gedachte – Chancen, Strategien, Wünsche.

Hypothese:
Wenn künstlich aufeinander gehetzte Raubkatzen wie Saudi-Arabien und der Iran es schaffen – durch kluge und strategisch orientierte Vermittlung – ihre tiefgreifenden politischen Gegensätze im Sinne einer höheren Zielstellung hintenanzustellen, warum sollten nicht auch Politerinnen und Politiker in diesem Lande es nicht auch schaffen, Gemeinsamkeiten zu suchen und ihre Anhängerscharen von einem höheren strategischen Konsensus und übereinstimmenden Zielstellungen zu überzeugen?

Zeilenvergleiche, Themenvergleiche, Artikelvergleiche von „Junge Welt“ und „Junge Freiheit“ –


Suche nach Gemeinsamkeiten und Paralellen, die Ansatzpunkte für solche minimale Interessenübereinstimmungen bieten.
„Junge Welt“ vom 24. März 2023. Ausgewählt zum Vergleich habe ich die folgenden Artikel:
Jörg Kronauer „Kein fester Block – Beijing treibt in Moskau Friedensprozess voran. Kooperation gegen polische und ökonomische Dominanz des Westens „, S. 3
ders. „Tiefgreifende Veränderungen – Xi und Putin skizzieren Überwindung westlicher Dominanz und Weg zur Multipolarität“, S. 3
Alexander Reich, „Habeck, China und der Hamburger Hafen – Betreiber HHLA braucht Cosco-Konzern mehr als andersherum, Wirtschaftsministerium blockiert“. S. 9
Arnold Schölzel, „EU-Gipfel in Krisenzeiten – Gelähmt vom Kriegführen“, S. 8
Gerd Schumann, „Weiße Flecken – Die Grünen, Jugoslawien, die Ukraine und einige verblüffende Analogien in der Entstehungsgeschichte von nzwei Kriegen“, S. 12
Parallel dazu bieten sich folgende Beiträge in der „Jungen Freiheit“ (gleichfalls vom 24. März) an:
Dieter Stein, „EU-Sanierungszwang – Betreutes Wohnen“, S. 1
Kurt Zach, „Willkommen im Parteienstaat – Streit um Wahlrechtsreform: Wie die Ampel-Koalition plant, die Demokratie weiter auszuhebeln“, S. 1
Hans Krump, „Weltmachtsansprüche im Visier – Der Schriftsteller Wolfgang Bittner wertet den von Putin begonnenen Ukraine-Krieg als bloße geopolitische Abwher eines von den USA mit langer Hand beabsichtigten Regimewechsels in Rußland“, S. 28
Bruno Bandulet, „Haftbefehl gegen Putin – Eine Geste, die nicht weiterhilft“, S. 2
Hinrich Rohbohm, „Wildes Vietnam – Saigon: Zwischen modernen Neubauten, westlichen Investitionen und chinesischer Einflußnahmebraut sich ein geopolitischer Konflikt in Ostasien zusammen“, S. 12

André Kruschke, „Links-grüne Regierungsparteien schaffen die freiheitlich-demokratischen Grundwerte ab – Die Politik zerstört das Wir“, S. 18

Schließlich: Einsam, ohne Parallele steht ein Beitrag in der Jungen Welt, S. 6: Seymour Hersh, „Die Vertuscher – Biden-Regierung versucht weiter, ihre Verantwortung für Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines zu verbergen“
Junge Welt und Junge Freiheit, zwei „Zeitenwende“-Printmedien – lesbar und trefflich gestaltet, zum Nachdenken und Weiterdenken anregend. Die Junge Welt feierte vor kurzem ihren 75. Geburtstag, ein überregionales „Zeitenwende“-Gewächs aus den Sommermonaten nach dem Sieg der Alliierten über den NS-Faschismus im Jahr 1945. Die Junge Freiheit, 38. Jahrgang, regional und bescheiden gegründet also 1986 am Vorabend der nicht absehbaren Zeitenwende (= Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems).
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Prophetie ist „nicht unser Ding“. Aber gesunder Menschenverstand, genährt durch geschichtliche Erfahrungen, sagt uns: Wir sind wieder an einer Zeitenwende – geopolitisch und auch national? Ganz gewiß !!!
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Geopolitisch hat der von den USA geführte „westliche“ Staatenblock durch die aggressive umfassende Politik gegenüber Russland und China der letzten dreißig Jahre den Zenit der Auseinandersetzungen mit dem Rest der globalen Staatenwelt nicht nur erreicht, sondern schon den Beginn der Talfahrt eingeläutet. Eine solche Unumkehrbarkeit zeigt sich auch auf nationaler Ebene in Deutschland mit der seit 2005 zuerst verschleierten, dann aber seit Ende 2021 offenen Wende zu einer aggressiven, antidemokratischen und antisozialen Innenpolitik, geführt vor allem von international vernetzten extrem konservativen, antidemokratischen Gruppierungen in der Partei der Grünen und der Sozialdemokratie. (Zu empfehlen ist das Studium der Beiträge unserer genannten Medienvertreter : JF S. 28, JF S. 2, JF S. 12; JW S. 3, JW S. 8)
Bemerkenswert ist ebenfalls die Dominanz dieser Gruppen in den Medien, in den Institutionen des offiziellen, staatlich geförderten Kulturbetriebes, der offen neokolonialistischen Politik in den multinationalen Organisationen, den Bereichen Sport, Bildung, Freizeit und Tourismus. (Beiträge JW S.9, S. 12, JF S.1)
Ein offenkundiges Indiz für das Erreichen und das beginnende Überschreiten des Scheitelpunktes, des Wendekreises dieser epochalen Entwicklung sowohl geopolitisch als auch auf nationaler Ebene ist in den führenden Staaten des „westlichen“ Blocks das Zerschlagen jeglicher ernsthaften politischen Opposition in Form von Parteien, schlagkräftigen Organisationen, Medien,. parlamentarischen Vertretungen auf nationaler und regionaler Ebene.

Manche Passagen in den erwähnten Beiträgen könnte man als weltanschauliche Zivilisationskritik abtun – à la Schopenhauer, Nietzsche, Benn. Aber es ist weitaus mehr ! Spürbar ist – und sowohl die konservative „Junge Freiheit“ als auch die kritisch-liberale „Junge Welt“ – sind da auf einer Linie: die globale Bewegung unterhalb der Tektonik ! Man ist geneigt mit Galilei zu formulieren: Und sie bewegt sich doch ! Der in den nächsten Jahrzehnten sich verstärkende unterirdische Druck auf die scheinbar festgefügten Platten des internationalen Systems wird zu Beben führen, deren Ergebnisse abhängen werden von der ökonomischen und finaziellen Stärke des sich in ersten Keimen abzeichenden „Gegenblocks“ unter Führung Chinas, Russlands, Indiens und anderer nach Verbindung mit ihnen strebenden Staaten. Insofern ist die eingangs erwähnte aktuelle qualitative Veränderung des Saudiarabisch-iranischen Verhältnisses für die politischen Seismologen eine wichtige Kennziffer, auch wenn sie aus verschiedenen Gründen sich noch nicht öffentlich zu dieser Erkenntnis durchringen können oder wollen.

Wie verstehen, dass Momentaufnahmen, Symptome, Ahnungen weltpolitisch noch keine eindeutige Tendenz ausmachen. Um so mehr trifft das auf die inneren politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik zu !

Was spürbar ist, lässt sich ebenfallos an den sporadischen tektonischen Bewegungen, der nationalen Krisen der letzten zwei Jahrzehnte ablesen. Die wachsende Unruhe, die Besorgnisse, die Ängste in breiten Kreisen der Bevölkerung vor dem Hintergrund der Bankenkrise, der mit der unkontrollierten Massenmigration und der CORONA-Pandemie verbundenen sozialen und sozialpsychologischen Probleme, schließlich der aktuellen Verstärkung der Russophobie, reißen den braven Bürger aus dem behaglichen Ohrensessel vor dem Fernseher und zwingen ihn zur Suche nach neuen politischen Lösungen und Losungen, nach Alternativen. Wer fragt da nun nach den traditionellen LINKS oder RECHTS ?

Neue Entwürfe sind gefragt, aber nicht nur intellektuell, sondern praktisch-politisch. Und da sind wir wieder bei RHODUS angelangt! Nun doch Antike, Kant, Hegel, Marx! Was soll es bedeuten – Hic Rhodus, hic salta – ? Nichts anderes als das Turnierpferd dazu zu überreden, die Blockade vor dem scheinbar unbezwingbaren Hindernis aufzugeben und den Sprung zu wagen! Der Beifall des Publikums ist Pferd und Reiter gewiß. Die politische Billigung wird jenen Politikerinnen und Politikern sicher sein, die klassische aber nunmehr nicht mehr gültige Gräben überwinden und überspringen, die die Plakatierungen „LINKS“ und „RECHTS“ abwerfen und das Gemeinsame suchen, die ersten Triebe der Schneeglöckchen unter dem dünner werdenden Eis der Winterdecke pflegen, die sich dem von Vertretern der alten Verhältnisse geprägten Vorwurf des Extremismus widersetzen.
Also mit dem Hegelianer Karl Marx zu sprechen (MEW Bd. 8, S. 118): die gegenwärtigen Revolutionen “ … schrecken stets von neuem zurück vor der unbestimmten Ungeheuerlichkeit ihrer eigenen Zwecke, bis die Situation geschaffen ist, die jede Umkehr unmöglich macht, und die Verhältnisse selbst rufen
Hic Rhodus, hic salta!
Hier ist die Rose, hier tanze!“
Dr. Dieter Weigert, Berlin Prenzlauer Berg, 28.März 2023

Signale des Wendekreises