Renaissance in der Mark: eine geopferte Konkubine

Rauschende Feste und ein tiefer Fall mit Folgen

Das Renaissance-Schloß an der Spree

Die Legende beginnt mit einem morschen Fußboden im Schloss Grimnitz am Werbellinsee. Renaissancefürst Joachim II., Liebhaber der schönen Künste, lud seine Gemahlin Jadwiga (Hedwig) ein, ihn zum gesellschaftlichen Großereignis des Jahres 1549, der Jagd am Werbellinsee, zu begleiten und mitzufeiern, was die Weidgenossen so erlegt hatten.  

Joachim II., Kurfürst von Brandenburg

Es muss hoch her gegangen sein bei Tanz und Wein, der Fußboden in der oberen Etage brach ein und die Damen und Herren landeten tot oder lebendig, zum Teil schwer verletzt, im Erdgeschoss und im Keller oder in den scharfen Spitzen der an den Wänden hängenden Trophäen. Joachim überlebte, Jadwiga erlitt ernsthafte Verletzungen im Unterleib, ihre Schamhaftigkeit verhinderte die Behandlung durch den Arzt – das schlimme Resultat war nicht nur eine dauernde Unfähigkeit ohne Krücken zu gehen – sondern auch das Ende der ehelichen Liebesgenüsse.

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Aufstieg und Legenden

Joachim suchte unter den Töchtern des Landes nach Abhilfe – nicht nur für Stunden, sondern für ständig. Schon im Dorf Grimnitz wurde er fündig: Die Ehefrau seiner Geschützmeisters Michael Diederich, Anna, geborene Sydow, wählte er aus. Sie hatte keine Chance des Ausweichens, der Ehemann erhielt eine große Summe, formal blieben die Diederichs ein Ehepaar, aber die „schöne Gießerin“ war mit etwa 24 Jahren die Konkubine des Herrschers. Eine Legende war geboren. Alle gekrönten Häupter zu jener genussvollen Renaissancezeit bedienten sich auf diese Weise – der französische König Heinrich II. mit seiner Diane von Poitiers, Heinrich VIII. in England mit den zahlreichen Mädchen und Damen des In- und Auslandes, die italienischen Territorialpotentaten und natürlich auch die Päpste brüsteten sich mit der Schönheit, Liebeserfahrung und Hingebung ihrer weiblichen Untertanen.

Der tiefe Fall II

Zurück zur Mark Brandenburg und zur „schönen Gießerin“. Wir wissen nicht, wie Anna Diederich, geb. Sydow, das Los aufgenommen hat, auf besondere Weise dem Landesherrn zu dienen. Es gibt auch keine Kenntnis davon, ob sie sich allen Konsequenzen dieser intimen Verbindung bewusst war – für ihre Person, für ihre Kinder, für ihre gesamte Familie. Eine Ablehnung kam nicht in Frage, selbst eine starke Frau mit Würde und Gefühl für ihre Werte hatte in diesen Zeiten keine Chance, ein eigenes Leben zu gestalten.
Und so kam es wie es kommen musste – die Ahnung des tiefen Falles der Konkubine nach dem Todes des Herrschers, verursacht durch die kurfürstlichen Familie, vor allem durch den Sohn und Nachfolger, bewog Joachim zur schriftlichen Fixierung in Gegenwart des Hofes und seines Sohnes, Anna und ihre gemeinsamen Kinder nicht verfolgen zu lassen. Es half nichts.  1571 ließ der Sohn, Johann Georg, die Konkubine des Vaters festsetzen, ihrer Ehre und Würde berauben und bis ans Ende ihres Lebens (1575) im Juliusturm der Festung Spandau in strenger Isolation halten.

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Zitadelle Spandau bei Berlin


Auch das Strahlen der Juwelen, die rauschenden Hoffeste, die glanzvolle Garderobe, die Lobhudeleien der gekauften Presse, die Küsse der gemeinsamen Kinder können das Schicksal der geopferten Frau nicht übertünchen – klingt das nicht allzu aktuell? Sklaverei im „weißen“ Europa? Subtile Formen der Gewalt gegen Frauen? Jeder mag sich heraussuchen, was ihm beliebt!

Dieter Weigert Berlin, im Juli2022

Autor: Sternberlin

Dr. phil. habil.(Philosophie und politische Wissenschaften) , inzwischen Pensionär - aktiv in Denkmalschutz und Denkmalpflege, besonders Kirchen und historische Friedhöfe in Berlin an Wochenenden - unter der Woche in unregelmäßigen Abständen engagiert in Lehrerfortbildung (Geschichte, Architektur, Literatur und Theater,Bildende Kunst)

16 Kommentare zu „Renaissance in der Mark: eine geopferte Konkubine“

  1. nachträglich finde ich eine ausführliche Quelle zum Sturz der Kurfürstin Hedwig im Schloss Grimnitz: Oskar Schwebel, Renaissance und Roccoco. Abhandlungen zur Kulturgeschichte der Deutschen Reichshauptstadt, Minden 1884, Bruns Verlag, s. 79ff – d. Verf.

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    1. There is my comment to Your answer: „My family members all the time say that I am killing my time here at web, except I know I am getting know-how daily by reading thes nice content“ – do not accept such strange opinion! Believe in yourself and try to make the Best. greetings from old Germany

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