Preußisch Blau und Lutherisch Schwarz – oder: Leutnant Kleist und Generalsuperintendent Löffler Folge 16

Das paßt sehr gut in unsere chronologische Abfolge – Edda ist glücklich ! Ein singuläres Briefchen von unserem Josias Löffler an einen Freund im Herzogtum Gotha, datiert mit dem 8. September 1786, einem Freitag. Adressat ist ein gewisser Gotter, Friedrich Wilhelm, Schreiberling und Theatermann am Hofe. -Bester Chef, bevor ich die Details verliere, können wir uns mit diesem Text beschäftigen? Hier habe ich schon mal ein Porträt des Gothaischen Intellektuellen, nicht zu verwechseln mit dem berüchtigten Weiberhelden aus Schloß Molsdorf, den jeder Mensch mit höherer Bildung in Thüringen kennt.

Nun also der philosophische Text des Frankfurters an den Gothaer:
„Frankfurth, 8ter Sept. 86

Lieber getreuer Freund,
zum zweyten Mahl nun nach so kurzer Zeit sitze ich traurig am Tisch und versuche mich an einer Gedenkpredigt für einen der Großen unter Gottes Himmel. Vor einem Jahr für den Braunschweiger Prinzen, heute nun für den großen Friedrich, seinen Onkel. Wie ich aus einem Ihrer letzten Schreiben weiß sind Sie mit vielen Vorgängen der hohen Politik als Geheimsecretair des Herzogs im Gothaischen Archiv vertraut, daher verstehen Sie meine Lage – eine Wanderung am Abgrund, eine falsche Zeile in der Predigt, ein offenes Wort dort wo nur eine Anspielung es getan hätte – und ich kann in Unehren nach Saalfeld zurückkehren ! In ähnlicher Lage – sollten wir uns beide zur äußersten Vorsicht mahnen!
Die Klippe im Vorjahr konnte ich erfolgreich meistern, den Prinzen, Aufklärer, Lessing-Förderer Leopold so von der Kanzel zu würdigen, wie es einem Generalsuperintendenen ansteht – als Mann des Königs in der Kirche, als Mann der Kirche vor des Königs Regiment! Allen recht gedient ! Der König war zufrieden! Heute nun soll ich die rechten Worte finden für unseren großen Förderer, den König selbst.
Konnte ich zu Ehren des Braunschweigers, des jüngeren Bruders der klugen und sanften Weimaranerin Anna Amalia noch den Schmerz über das Dahinscheiden des jungen Prinzen in den Mittelpunkt stellen, muß ich jetzt über das Herrschen, über Krieg und Frieden, über Härte und Sanftmut, über die philosophische Größe des einsamen Mannes in Potsdam reden. Vor mir liegt der Scherenschnitt Ihres Kopfes, den Sie mir vor Jahren beigelegt haben – bitte helfen Sie mir aus der Ferne !


Was soll werden ? Die Männer mit den Schaufeln und Piquen stehen bereit – in die schon gegrabenen Löcher nicht nur den Körper des großen Strategen, sondern mit ihm die Bücher, die Ideen, die Pläne, die Mitstreiter hineinzulegen, die Preußen und gantz Deutschland eine bessere Zukunft verheißen sollen. Die Wö…s, die Rosen…r, werden ihre Listen sorgfältig verfolgen, keinen von uns auslassen! Was ist Ihr Herzog der thüringischen Wälder werth? Sollten wir auf ihn rechnen oder ist er ein Anpasser, der nur an sein Privates denkt, an seine Sternentafeln, sein Theater, sein Auskommen mit Weimar und den anderen Residenzen zwischen Saale und Werra? Man kann nur hoffen!
Ich bin bereit für Offerten aus Hamburg, Göttingen, weniger aus Weimar, da möchte ich nicht gegen Herder antreten.
Der Predigttext ruft – nichts von unseren Sorgen kann ich aufschreiben. Aber verschlüsselt den Unsrigen Hoffnung geben: „So grenzenlos der Verlust und so gerecht der Schmerz ist, den wir ihm weihen; so würden wir doch großes Unrecht haben, wenn wir bey der Feyer seines Gedächtnisses, diese Empfindung die allein herrschende in unserer Seele seyn ließen … uns ist es vielmehr Pflicht, unser Gemüth zu diesem höchsten Gebieter der Welt zu erheben, uns in dem heiligen, unveränderlichen Rathe seiner Weisheit zu beruhigen … So wird sich dese Feyer zwischen Wehmuth und Dankbarkeit – den natürlichsten Gefühlen bey dem Verluste eines geliebten Regenten, theilen, und endlich in die lebhafteste Aufforderung zum freudigsten Vertrauen auf Gott übergehen.“

Ach lieber Freund, wie schwer fällt es mir, die Sorge des Verblichenen um den Letzten seiner Unterthanen in einer solchen Rede verständlich auszudrücken. Die bisherigen Worte finde ich ungenügend, da sollte ich noch mehr Schöpferkraft hineinlegen:

„Und so hinterlässt er, dieser bewunderte Regent, sein Reich, Größer und blühender an Künsten und Wissenschaften und reicher an Menschen und Wohlstand, als er es empfieng. Mit dieser unermüdeten Geschäftigkeit, Jedem Mangel seines Landes abzuhelfen, Jede Klasse seiner Untertanen zu unterstützen, vereinigte er zugleich den Wunsch nach der weisesten Gesetzgebung und die strengste Gerechtigkeitsliebe. Er selbst unterwarf sich dem heiligen Spruch der Gesetze. Seinem Throne durfte sich jeder nähern, und fand umso eher Gehör, Je geringer und ohnmächtiger und je ausgesetzter er der Bedrückung schien. Das Recht des Bettlers war ihm nach seinem eigenen Ausspruch so heilig als das Recht des Fürsten. Einmal schon hatte er die Gesetze verbessert. Aber nicht zufrieden mit einem Grade der Vollkommenheit. Solange noch ein höherer zu erreichen war, Strebte er auch nach diesem Punkt über diesen großen, noch unvollendeten Versuche, der ein ewiges Denkmal der Güte seiner Absicht bleiben wird, übereilte ihn der Tod. Und so folgt ihm, diesem bewunderten Regenten, gewiss auch der Ruhm des Weisen, des Gerechten.

Aus eben dieser Gerechtigkeitsliebe, Verbunden mit dem erleuchtetesten Verstande und mit tiefer Kenntnis des Menschen und der Verirrungen seines Geistes hatte sich in seiner Seele ferner ein Grundsatz gebildet, Dessen genaue Befolgung Ihn nach meiner Einsicht zum Lehrer der Könige auf alle Zeiten erhebt. Wer denkt hierbei nicht sogleich an seine Duldsamkeit in Ansehung der Religion und seine gleiche Gerechtigkeit gegen alle Glaubensgenossen. Überzeugt, daß Menschen, die mit den ungleichsten Fähigkeiten gebohren, unter den verschiedensten Umständen erzogen von ebenso verschiedenen Lehrern unterrichtet und mehr oder weniger zum eigenen Nachdenken angeführt werden, Unmöglich eines Glaubens und einer Religion sein können, suchte er keine Übereinstimmung zu erzwingen, Sondern ehrte als eine Einrichtung Gottes diese Verschiedenheit in der menschlichen Denkart, die er nicht aufheben, sondern nur unschädlich leiten sollte. So verschieden auch die Überzeugungen seines erhabenen Geistes von den Überzeugungen der Menge sein mochten, so geneigt war er, Redlichkeit und Tugend unter allen Glaubensgenossen zu schätzen.
Keiner Parthey und keinem äußerlichen Bekenntnisse ergeben, Diente er dem Ewigen in der ehrfurchtsvollen Demuth durch gute Gesinnung und durch die heiligste Erfüllung seines Berufes. Fern von jeder Art des Gewissenszwanges, dessen schreckliche Wirkungen Er aus der Geschichte kannte, Übte und duldete er keine Bedrückung. Und so war er, dieser bewunderte Regent, ein Weiser unter den Königen, der dem menschlichen Geiste keine Fesseln anlegte und der Gewissen schonte.“

Einer Ihrer Ahnen war im herzoglichen Gotha wie ich heute in der Vertrauensstellung eines Generalsuperintendenten – holen Sie an seinem Grabstein mir im Geiste Rath, wie ich die Trauer um meinen großen König in Worte fasse, senden Sie eine Brieftaube !
Die Eingangssätze der Gedächtnispredigt aber stehen schon auf dem Papier: „Herr! Allmächtiger Gott! Weiser Regierer der Welt und der Schicksale der Völker! Mit verwundetem Herzen erscheinen wir heute vor dir, um den großen König zu beweinen, durch den du uns so lange wohlgethan hast!
Unempfindlich wäre unser Herz, wenn sein Tod uns nicht rührte; wenn wir bey dem Gedanken, daß Er nicht mehr ist – nicht mir thränenvollen Augen zu dir hinaufblickten. „

Lieber bester Freund, sehnsüchtig blicke ich vom kühlen Ufer der Oder zu Ihnen in den heimatlichen Bergen, den Hügeln und Thälern. Ohne aufdringlich zu scheinen, wäre eine Kundschaft über die Meinung Ihres Fürsten zu meiner Person in irgendeiner Position- nicht unbedeutenden, nicht unwirksamen für unsre Sache auf dem Friedenstein für meinen jetzigen Befindungsproceß doch sehr hilfreich!
Übrigens – wie geht es unseren französischen Freunden im selbstgewählten Exil in Friedrichroda?“

Verschieben wir dieses Thema auf die nächste Folge !

Dr. Dieter Weigert 25. August 2023 Berlin Prenzlauer Berg

Die nächsten Folgen der Erinnerungen des Saalfelder Stadtarchivars erscheinen in unregelmäßigen Abständen.

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