Vor kurzem hatte ich Sie zu einem Spaziergang auf dem Alten Garnisonfriedhof an der Linienstraße in Berlin-Mitte eingeladen und ausführlich dargestellt, weshalb das Grabmonument für den im September 1914 für seinen Kaiser den „Heldentod“ gefallenen Leutnant Curt von Kruge mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Werkstatt des Bildhauers Fritz Klimsch (1870 – 1960) stammt. Zur Erinnerung hier nochmals die Abbildung des schwazen Marmorblocks in seinem gegenwärtigen Zustand:

Den Aufsatz „Heldentod und trauernde Frau – Fritz Klimsch und die Seinen“ finden Sie unter dem LINK http://wordpress.com/post/fobililienstern.blog/33554
Wer war jener Fritz Klimsch ?
Es gibt eine umfangreiche Literatur zur Biographie und zum Gesamtwerk dieses deutschlandweit bekannten Künstlers, Kataloge zu bedeutenden Einzel- und Kollektiv-Ausstellungen seiner Skulpturen.
Aufsehenerregend die erste größere Publikation aus dem Jahr 1924 aus der Feder des Kunsthistorikers und Berliner Museumsleiters Wilhelm von Bode:

Zwischen dem Erscheinen dieser ersten umfassenden Würdigung und der jüngsten Gesamtdarstellung anlässlich der Ausstellung von Köln im Jahr 1991 liegen über 60 Jahre, die Deutschland tief in seinen Wurzeln veränderten und die im Werk des Bildhauers ihre Spuren hinterließen.
An dieser Stelle soll der Konservatismus in den Arbeiten Klimschs dargestellt werden, vor allem sein Umgang mit den Bedingungen der 12 Jahre des Hitler-Regimes – in einer späteren Untersuchung soll gezeigt werden, wie Biographen und Kunsthistoriker die offensichtliche, vollständige und bewusste Unterwerfung Klimsch unter die Anforderungen der Jahre 1933 – 1945 der bundesdeutschen Öffentlichkeit „verkauften“.
Präludium I: Duisberg und Leverkusen
Carl Duisberg (1861-1935), der bekannte Chef der späteren zum IG-Farben-Konzerns gehörenden Werke Bayer-Leverkusen war schon sehr früh ein Bewunderer der Skulpturen von Fritz Klimsch.

Der im September 1933 vom Konzern Bayer Leverkusen herausgegebene Prachtband „Kunst in Leverkusen“ stellt über 25 Plastiken, Platzgestaltungen, Brunnen aus dem Atelier Klimschs im Auftrage von Duisberg – zwischen 1912 und 1935 – vor.








Carl Duisberg als einer der Initiatoren der Gründung der IG Farben vermittelt seinem Lieblingskünstler Fritz Klimsch auch nach dem Umzug nach Frankfurt am Main weitere Aufträge – so unter anderem die Wasserspiele „Am Wasser“ in den Anlagen des Verwaltungsgebäudes der Farbwerke Hoechst (IG-Farben 1929).

Die konservative und nationalistische Grundhaltung des Industriellen Carl Duisberg war die Grundlage für die meisten Auftragsarbeiten von Fritz Klimsch in Leverkusen.
Vorgestellt seien hier zwei Themen: die Ehrungen für die militaristischen „Tugenden“des kaiserlichen Heeres und die Porträtbüsten (1916) für die „Heerführer“ des Kaisers:


Zu erwähnen sind (ohne Kontext zu Carl Duisberg) die Porträtbüste des Generals Graf von Schlieffen (1908) und das Grabmonument für General Kluck (1934/35).


Präludium II Familie Röchling und die Saar
Die Familie des Saar-Großindustriellen Herrmann Röchling gehörte schon vor dem Ersten Weltkrieg und seit Anfang der Zwanziger Jahre zur Gruppe der extrem nationalistischen Wirtschaftskreise Deutschlands. Schon in dieser Periode kommt es zu Kontakten mit dem Bildhauer Fritz Klimsch. Bemerkenswert ist in diesem Kontext der Auftrag einer komplexen Denkmalgestaltung für den Röchling-Konzern in Völklingen an der Saar schon vor dem Ersten Weltkrieg:

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte die Ausführung des Großprojektes, wie Klimschs Sohn Uli in der umfangreichen Publikation von 1938 „Fritz Klimsch. Die Welt des Bildhauers“ dokumentiert (Abbildung S. 19, Text S. 95).
Ohne weitere Erläuterungen werden durch Wilhelm von Bode in der o.a. Publikation von 1924 drei Arbeiten aus den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg vorgestellt (Nr. 64-66), die einen Bezug zur Familie Röchling vermuten lassen:

Auszug aus dem Inhaltverzeichnis der Publikation Wilhelm von Bodes:



Die wahrscheinlichen Kontakte des Bildhauers Fritz Klimsch zu Angehörigen der Familie des Industriellen Herrmann Röchling im Raum Freiburg/Breisgau nach 1918, die zu den hier gezeigten Skulpturen geführt haben, müssen noch im Einzelnen untersucht werden, auch über die Biographie der Dichterin Ilse Röchling-Heye und ihre Beziehung zu Fritz Klimsch ist bisher kaum etwas bekannt. (Für Hinweise in dieser Richtung bin ich sehr dankbar)
Fritz Klimsch und sein Sohn Uli – an vorderster Front bis 1945
Der Tod von Carl Duisberg im Jahre 1935 hinterließ für den über 60-jährigen Fritz Klimsch eine spürbare Auftragslücke. Der Machtantritt der Hitler-Clique brachte schon nach kurzer Schaffenspause die Erholung- Goebbels selbst wurde privat und als Dienstherr im Propagandaministerium der neue Mäzen, auch beim Erwerb schon früher geschaffener Werke – Goebbels hatte sich im internen Wettstreit mit Göring um diese einträgliche Position durchgesetzt.
Einige Beispiele aus der umfangreichen Liste der Werke Klimschs (zum Teil stammen die Original-Bildunterschriften von Uli Klimsch aus der NS-Zeit):


Ein Beispiel für die bundesrepublikanische „Umschreibung“ der Tatsache, dass es sich um eine von Goebbels bestellte Skulptur im Gebäude des Propaganda-Ministeriums handelt -aus einem Ausstellungskatalog von 1980 (Hannover) :



An diesem Ort sei der Hinweis erlaubt, dass in einer kunsthistorischen wissenschaftlichen Arbeit (Heike Hümme, Künstlerischer Opportunismus in der Malerei und Plastik des Dritten Reiches, Dissertation 2004, Technische Universität Carolo-Wilhelomina zu Braunschweig) ein ausführlicher Nachweis der bewußten und aktiven Unterwerfung Fritz Klimschs unter die stilistischen und ästhetischen Anforderungen des NS-Regimes an die Aktgestaltung (weiblich und männlich) geführt wird. Deshalb werde ich aus Platzgründen auf dieses Thema hier nicht eingehen und empfehle Interessenten das Studium dieser Arbeit.
Dem entscheidenden Einfluß des Ministers Goebbels ist es zuzuschreiben, dass Klimsch nach 1935 – nach einer Phase des gegenseitigen „Abtastens“ – mit größeren Ausstellungen geehrt, mit öffentlichen Aufträgen überhäuft wurde, deren Krönung die Gestaltung des Mozartbrunnens in der „ins Reich heimgeholten“ Stadt Salzburg werden sollte. (Literatur dazu: Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg 45, Bd. 7, Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus, S. 480)

Ich verzichte an dieser Stelle auf die Wiedergabe der Porträtbüsten der Hitler, Frick und Co. – sie sind publiziert beim Sohn Uli Klimsch (1938):

Es würde die Geduld des Lesers überfordern, alle Aktivitäten Klimschs und alle Ehrungen, Aufträge (privat und öffentlich) in der NS-Periode darzustellen – dafür stehen die „Reizworte“ u.a. Berghof Obersalzberg bei Berchtesgaden („Kleine Reichskanzlei“), „Führerbau“ München, „Alte Reichskanzlei“ Berlin, Pullach, München, Secession Wien, Halle/Saale, Prenzlau, Quedlinburg.
Nicht unerwähnt aber sollte die „höchste“ der Ehrungen durch die Hitler-Goebbels-Clique bleiben:
Hitler persönlich nannte ihn auf der Sonderliste der „Gottbegnadeten“ unter den 12 wichtigsten bildenden Künstlern jener Periode. Deshalb sei eine detaillierte Wiedergabe der relevanten Namen hier erlaubt:
Abschnitt I: Gottbegnadeten-Liste
Abschnitt I des Dokuments über die für das nationalsozialistische Regime besonders bedeutenden und daher vom Kriegseinsatz freigestellten Künstler trägt die Bezeichnung Gottbegnadeten-Liste und gliedert sich in die Unterabschnitte A. Sonderliste mit 25 Namen und B. Alle Übrigen mit 353 Namen. Der Liste vorangestellt ist ein Inhaltsverzeichnis.
Unterabschnitt A. SonderlistE
Das mit I. Gottbegnadeten–Liste. A. Sonderliste. überschriebene erste Blatt von Abschnitt I enthält folgende Personen:
- Schrifttum:
- Hans Carossa (1878–1956), Lyriker und Erzähler
- Gerhart Hauptmann (1862–1946), Nobelpreisträger für Literatur 1912
- Erwin Guido Kolbenheyer (1878–1962), Romanautor, Dramatiker und Lyriker
- Hanns Johst (1890–1978), Dramatiker und Reichskultursenator
- Agnes Miegel (1879–1964), Schriftstellerin, Journalistin und Balladendichterin
- Ina Seidel (1885–1974), Romanautorin und Lyrikerin[18]
- Bildende Kunst:
- Arno Breker (1900–1991), Bildhauer, Architekt und Reichskultursenator
- Georg Kolbe (1877–1947), Bildhauer
- Josef Thorak (1889–1952), Staatsbildhauer[19]
- Fritz Klimsch (1870–1960), Bildhauer und Professor
- Hermann Gradl (1883–1964), Landschaftsmaler und Illustrator
- Arthur Kampf (1864–1950), Historienmaler und Professor
- Willy Kriegel (1901–1966), Maler und Professor
- Werner Peiner (1897–1984), Maler und ab 1938 Leiter der Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei[20]
- Leonhard Gall (1884–1952), Architekt und Reichskultursenator
- Hermann Giesler (1898–1987), Architekt und Reichskultursenator – Bruder von Paul Giesler
- Wilhelm Kreis (1873–1955), Architekt und letzter Präsident der Reichskammer der bildenden Künste
- Paul Schultze-Naumburg (1869–1949), Maler, Architekt und ab 1932 Reichstagsabgeordneter für die NSDAP[21]
Mit der Aggression Nazi-Deutschlands 1939 gegen Polen und dem damit ausgelösten Zweiten Weltkrieg erfahren die regimetreuen Aktivitäten des „Staatskünstlers“ Klimsch eine weitere Steigerung. Die Fotos seiner Skulpturen finden sich – selbstverständlich mit seiner Billigung – auf den Seiten der Propagandadrucke für den Frontsoldaten:

im gleichen Heft:

im gleichen Heft:

Werner Rittich (1906-1978, in der Nachkriegszeit Redakteur beim „Hamburger Abendblatt“ !) , einer der kulturpolitischen Chefpropagandisten des NS-Regimes, widmete im Kriegsjahr 1940 in der von ihm mitgeleiteten Propagandaschrift der NSDAP „Die Kunst im Deutschen Reich“ acht großformatige Seiten incl. neun Abbildungen in bester Druckqualität auf bestem Papier dem Künstler Fritz Klimsch zum 70. Geburtstag.



Besser und wahheitsgetreuer als Werner Rittich im Jahre 1940 kann man die „Verstrickung“ des Bildhauers Fritz Klimsch im NS-Regime nicht charakterisieren. Deshalb hier für Fachhistoriker und Pädagogen, deren Anliegen die thematische Auseinandersetzung mit jenem verbrecherischen System ist, der detaillierte Nachweis der Quelle:




Filbingers Großes Bundesverdienstkreuz
Der Rest ist bekannt: demokratische Politiker entscheiden sich 1946 für die Ausweisung des NS-Täters Klimsch aus Salzburg und Österreich. Zurückgekehrt in das unter Besatzungsregime stehende Süddeutschland bemüht er sich um Rehabilitation, wird abgewiesen, doch gute Freunde helfen !
Aus Österreich ausgewiesen, arbeitete er nach einer kurzen Phase des Rückzugs ins Private im Land Baden-Württemberg weiter, wurde als ehemaliges Mitglied der NSDAP und „NS-Belasteter“ von der 1955 neugegründeten Akademie ausgeschlossen, was den CDU-Politiker und ehemaligen NS-Marinerichter, SA- und NSDAP-Mitglied und späteren Ministerpräsidenten Baden-Württembergs Hans Filbinger nicht daran hinderte, ihn 1960 zur Auszeichnung mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland durch den Bundespräsidenten vorzuschlagen. Die Arroganz des Goebbels-Vertrauten Fitz Klimsch ging soweit, dass er im Jahre 1955 die Ehrung mit dem „einfachen“ Bundesverdienstkreuz zurückwies, es schien nicht angemessen genug für seine „Lebensleistung“!
ERGO: Man trägt ihm das Bundesverdienstkreuz an – er fühlt sich mißverstanden. Wenn schon die Ehrung aus konservativer Gesinnung, dann aber das GROSSE ! So geschiehtt es – der Freundeskreis um Alt-Nazi Filbinger setzt die Huldigung mit dem „Großen Bundesverdienstkreuz“ durch.
Soweit die wirklichen Dinge des deutschen Konservatismus und die Verstrickungen des Fritz Klimsch.
Wie man damit umging und noch umgeht, ist der nächsten Folge zu entnehmen.
Dr. Dieter Weigert Berlin Prenzlauer Berg 27. Juli 2023
Der LINK zur ersten Folge: („Heldentod und trauernde Frau – Fritz Klimsch und die Seinen“)