Preußisch Blau und Lutherisch Schwarz: oder -Leutnant von Kleist und Generalsuperintendent Löffler Folge 18 Friedenstein

Noch kann sich zu unserem Kummer der Winter im Saaletal festklammern – überraschend für diese Breiten. Sogar Eisblumen an den Scheiben, welch eine Ästhetik !
Edda hat sich gut auf den zweiten Teil der Präsentation der „Gotha-Papiere“ vorbereitet, wie vordem bin ich ganz Ohr und Gefühl für unseren Josias Löffler, Generalsuperintendent, aber ohne Professur – es gibt keine Universität im Herzogtum, vielversprechende Absolventen aus Göttingen und Jena sind willkommen! Aber Gotha kann anerkannte Wissenschaftler, Männer und Frauen der Kultur, der Künste aufweisen, auch Gäste aus Frankreich und anderen europäischen Nachbarländern darunter. Bekannt ist vor allem der französische Bildhauer Jean-Antoine Houdon, dem selbst Herzog Ernst II. 1773 für ein Medaillon Modell gesesssen hatte.


Die gut erholte Edda beginnt mit dem Vortrag von Teieln eines sehr intimen Briefes des Herrn Superintendenten an die noch in Frankfurt (oder bei ihren Eltern in Berlin) auf ihren Umzug wartende Ehefrau: „Liebstes Mädchen, ich umarme dich, ich möchte dich so gern streicheln – wie fern bist du noch! Es ist spät am Abend, die Einsamkeit in der riesigen Behausung macht mir zu schaffen, auch die Sorge um deine Gesundheit. Tagsüber bin ich vollauf beschäftigt – die Schätze der herzoglichen Bibliothek und der kunst- und wissenschaftlichen Sammlungen zu studieren, da kann Frankfurt nicht mithalten ! Ein Original aus der Lutherzeit und aus Luthers Feder: das „Achtliederbuch“, gedruckt 1524 in Nürnberg:

Der Herzog steigt jeden Tag mehr in meiner Hochachtung – er verschleudert nicht die Gelder seiner Untertanen, er legt sie fruchtbringend an – in Bildung und Wissenschaft ! Ich werde dir ausführlich dazu berichten, wenn ich den gesamten kulturellen Reichtum gesehen habe.
Wie geht es den Mädchen, kannst du auch unter den gesundheitlichen Belastungen dich ordentlich um sie kümmern? Die Berlin untersützen dich gewiß! Dem Vater kannst du ausrichten, daß seine Befürchtungen, der aufgeklärte Herzog und insbesondere die Herzogin bei all ihrer Liebe zur Sternenkunde würden die Religion, das Kirchliche vernachlässigen, unzutreffend seyen. Wir sind da einer Meynung – Religion und Moral müssen hoch geachtet werden, da darf nicht gespart werden. Da ist ein wunderschönes kleines Kirchlein, das ich liebgewonnen habe, eine Kapelle, die die Frau Herzogn nach ihren eigenen Vorstellungen hat errichten laßen. Ich lege ein Kupfer bey:

Ist es nicht romantisch? … Meine Distanz zur Oderlandschaft beginnt Fahrt aufzunehmen, aber solange du es dort im Osten noch aushalten mußt wegen der Krankheit und der Kinder, bleiben die Gedanken bei dir. Hier aber wirst du guet und ehrliche Freunde finden, die Frau Herzogin wird dir helfen, sie hat es mir versprochen und sie ist eine Vertrauensperson, nicht so oberflächlich wie manche der hochgestellten Weiber in Frankfurth und Berlin.
Ich küsse dich – bis morgen Dein Männlein“

Edda ist voll in Fahrt: – Da ist noch ein Brief unseres Josias an den Schwiegervater in Berlin, höchst politisch und nicht für fremde Augen geschrieben:

„Verehrter lieber Vater, daß ich Gotha dem romantischen Göttingen vorgezogen habe, werde ich niemals bereuen – da ich das Herzogthum und seinen Aufklärer am Steuer nun kenne. Dein Rath kam zur rechten Zeit, erstaunt muß ich feststellen, wie gut du die verzwickten Verältnisse unserer Tage kennst! Rings um den Friedenstein – (würklich ein Stein, ein Fels des Friedens!) -soviele Anregungen zum Studium, zum Meditieren, zum Disputieren! Bücher soweit das Auge reicht, Skulpturen, Mineralien, liebe Menschen ! Ich bin mit dem Fürsten einig, daß unsere gemeinsamen Reformierungen – dafür hat er mich genommen – bei der niederen und mittleren Bildung beginnen sollten! Religion ist auf gutem Fuße, dafür hat Vorgänger Koppe gesorgt.

Ich kenne den Friedenstein aus meiner frühen Jugend – einer der Hallischen Lehrer, ein Wald- und Bergverehrer hatte in den Sommerferien eine kleine Gruppe Anhänger um sich geschart und war mit uns vier Wochen durch den Harz und den Thüringer Wald gewandert – in den Rucksäcken kleine Hämmerchen zum Losschlagen der seltenen Steine („Feldspat, Gneis und Glimmer – die drei vergeß ich nimmer !“), die wir dann übers Jahr im Naturkunde-Unterricht bestimmten – selbstverständlich in Latein ! In Gotha gab es schon – eine Seltenheit in diesen Zeiten – eine kleine Mineraliensammlung, da fand der Lehrer einen Gleichgesinnten, der auch eine gute Art hatte, mit den Jungs zu plaudern. Der Friedenstein selbst war mir als bedrohlich, grob, ungeheuerlich in Erinnerung geblieben. Wir Schulkinder hatten keine Möglichkeit, das Innere zu besichtigen, auch der Hof war uns verschlossen, überall standen Wachtposten. Die Gassen und Plätze waren wie in Halle, nur fehlte ein Fluß wie die Saale, dafür mehr Hügel.
Was mich auch berührt, sind die auffälligen Ausländer, vor allen Franzosen und Iteliener. Sie verbreiten Unruhe, fast möchte man sagen Rebellion. Es liegt etwas in der Luft! Auch mein Fürst scheint beunruhigt, er fährt oft nach Weimar, sich beraten und Neuigkeiten zu erfahren, ist doch der dortige Herzog Regimentskommandeur bei den Preußen! Und – du wirst es nicht glauben – er berät sich mit Herder und ist begierig, mich mit diesen Neuigkeiten und Herders Blick darauf zu erfreuen. “
Edda stockte, die Stimme versagte ihr – vielleicht verstand sie manche Anzüglichkeiten und historische Zuammenhänge nicht.

Nun überraschte die sehr praktisch veranlagte Edda mich, den erfahrenen Meister der historischen Papiere mit einem auf den ersten Blick verrückten, aber dann doch durchdachten Vorschlag: Bester Chef, wenn es schon aus unsrere Reise nach Frankfurt nichts geworden ist, möchte ich aber doch wegen der Sinnlichkeit der Wahrnehmung eine Zwei-Tages -Tour nach Gotha ins Gespräch bringen! Zwei Tage deshalb, weil dieser Josias Läffler doch zwiefach durch den reformfreudigen Herzog eingespannt war – staatsmännisch-kirchenpolitisch und bildungspolitisch! Das muß man in Gotha riechen können!

Aber – sollte ich dem Vorschlag zustimmen – würde sie gern vorher noch ein interessantes Schreiben präsentieren, dessen handschriftlich hingekritzelten Text sie vorher nochmal durchgehen wolle: Bildhauer Houdon schreibt im Sommer 1789 an Josias nach Rückreise nach Paris – beeindruckt vom tiefen philosphischen Gehalt der Gespräche mit dem „Mann der deutschen Aufklärung“, den er in eine Reihe stellt mit Diderot, Rousseau, Voltaire. Er kommt von einem Aufenthalt am preußischen Hof, wo er Prinz Heinrich porträtierte hatte – er kennt die Gerüchte um die Homoerotik des Prinzen, fand ihn geistig nicht besonders anregend, aber amüsant und weitaus weltoffener als den regierenden Monarchen FW II.! Morgen bekommen ich diese Delikatesse in Originalfassung zum Frühstück!

Dr. Dieter Weigert 31. August 2023 Berlin Prenzlauer Berg

Weitere Blogs zu den Erinnerungen des Stadtarchivars im thüringischen Saalfeld finden Sie in den nächsten Wochen.

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