Verbrennt die Hexe! – Hier irrte Fontane

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Theodor Fontane 1860: Keine Scheiterhaufen in der Mark

Der durch die Mark Brandenburg wandernde Fontane erreichte vermutlich im Jahre 1860 das brandenburgisch-preußische Küstrin, heute polnisch, dessen Altstadt durch die Kämpfe im Frühjahr 1945 fast vollständig zerstört wurde, so dass das jetzige Kostrzyn nad Odra nichts mehr mit jenem Ort „Jenseits der Oder“ gemein hat, „wo zwischen Werft und Weiden die Warthe rechtwinklig einmündet“. Theodor Fontane würdigte die Verteidigung der lutherischen Sache des zwischen 1535 und 1571 regierenden Markgrafen Johann und zitierte den Satz eines zeitgenössischen Biographen, der bis heute immer wieder als Demonstration des Irrtums selbst eines so bedeutenden Schriftstellers herangezogen wird: „Was er nach dieser Seite hin getan, konnte nicht Wurzel fassen in den Gemütern eins Stammes, von dem in Lob und Tadel gesagt worden ist, daß es keine Heiligen hervorgebracht, aber auch keine Ketzer verbrannt habe.

Wilhelm Wattenbach 1886: Inquisition in der Uckermark seit 1393

Bis zu seinem Tode 1898 war dem Schriftsteller keine gegenteilige Meinung bekannt geworden. Doch schon 1886 war die leise, von der Öffentlichkeit ungehörte und unbeachtete wissenschaftliche Abhandlung „Über die Inquisition gegen die Waldenser in Pommern und der Mark Brandenburg“ erschienen, nur 102 Seiten, aber doch für den kleinen Kreis der Fachleute, zu denen der Dichter Fontane nicht gehörte, ein epochales Ereignis. Wattenbach hatte Original-Protokolle von Verhören der Inquisition gefunden und sie ausgewertet und nachgewiesen, dass man in der Mark Brandenburg der Ketzerei angeklagte Frauen und Männer nicht nur verhörte, in der Folter grausam marterte, sondern sie auch auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Dass Fontane diese wissenschaftliche Untersuchung nicht kannte, zeigt die Wiederholung seines Satzes, leicht abgewandelt, im Roman „Der Stechlin“ (1895/97).

Dietrich Kurze 1968/75: Über 500 Hinrichtungen in der Mark

Auch als wissenschaftliche Abhandlung, diesmal aber von der Öffentlichkeit wahrgenommen und breit diskutiert, legte der Berliner Historiker Dietrich Kurze 1968 eine Analyse vor, in der er nach Auswertung von weiteren Quellen aus anderen Archiven nachwies, dass in einem weitaus höherem Ausmaß als bisher angenommen in der Mark Bandenburg unschuldige Menschen als Ketzer, Hexen, Dämonen, Zauberer verfolgt, gemartert und hingerichtet wurden.

Bernau 1536 – 1658

Im Jahre 2005 wurde ein Mahnmal im öffentlichen Raum errichtet.  Es erinnert an die Prozesse gegen Unschuldige in Bernau, die 1536, 1537, 1583, 1617–1622, 1653 und 1658 stattfanden. In einer städtischen Chronik von 1736 finden sich 22 Hexenprozesse, mindestens 25 Frauen und vier Männer wegen angeblicher Zauberei beschuldigt, angeklagt, gefoltert und zum überwiegenden Teil hingerichtet.

Theodor Fontane, selbst aus einer Familie von religiös Verfolgten stammend, hätte diese Ehrung  der Toten und Mahnung an die Lebendigen aus vollem Herzen begrüßt.

Dieter Weigert, 6. Oktober 2018

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Autor: Sternberlin

Dr. phil. habil.(Philosophie und politische Wissenschaften) , inzwischen Pensionär - aktiv in Denkmalschutz und Denkmalpflege, besonders Kirchen und historische Friedhöfe in Berlin an Wochenenden - unter der Woche in unregelmäßigen Abständen engagiert in Lehrerfortbildung (Geschichte, Architektur, Literatur und Theater,Bildende Kunst)

18 Kommentare zu „Verbrennt die Hexe! – Hier irrte Fontane“

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